Der Verein Power Shift e.V. ruft auf zum Widerstand und zur Kampagne gegen CETA, das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Für Power Shift gilt es, die 2014 begonnene europaweite Protestbewegung mit neuem Leben zu füllen. Denn: Über die Abstimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten kann CETA noch gestoppt werden.
Zum Hintergrund
CETA ist ein sogenanntes gemischtes Abkommen. Es regelt Fragen der Handelspolitik, für die die EU zuständig ist, und Fragen der Investitionspolitik, für die die Mitgliedstaaten zuständig sind.
Die EU hat CETA zugestimmt, so dass der Handelsteil von CETA, der in ihre Zuständigkeit fällt, bereits seit 2017 vorläufig angewendet wird.
Der Investitionsteil ist noch nicht in Kraft, da ihn noch nicht alle Mitgliedsstaaten ratifiziert haben. Erst mit der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten würde CETA als Ganzes endgültig in Kraft treten.
Bisher haben 17 der 27 EU-Mitgliedstaaten CETA ratifiziert. Ob die übrigen Mitgliedstaaten folgen werden, ist fraglich. Sollte die Ratifizierung in einem Mitgliedstaat endgültig scheitern, wäre CETA als Gesamtpaket EU-weit gescheitert.
Der französische Senat hat Ende März dieses Jahres die Ratifizierung von CETA abgelehnt, sollte die französische Nationalversammlung ebenfalls ablehnen, wäre CETA in Frankreich nicht ratifiziert. Dies könnte zu einem EU-weiten Scheitern führen. Dieses Momentum müssen wir jetzt nutzen und den CETA-Protesten europaweit neuen Schwung verleihen! Die anderen neun Mitgliedstaaten, die CETA noch nicht ratifiziert haben, müssen es Frankreich gleichtun.
Dafür braucht es europäische Solidarität und ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement. Power Shift e.V. ist hervorragend vernetzt und arbeitet gemeinsam mit europäischen und kanadischen Partnern*innen daran, CETA zu Fall zu bringen.
Wenn CETA europaweit ratifiziert wird, drohen mehr Anti-Klimaklagen!
Der bisher nicht angewandte Investitionsteil von CETA beinhaltet Konzernklagen. Diese geben Investoren das Recht, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn umweltpolitische Entscheidungen ihre Gewinne beeinträchtigen könnten. Deshalb ist es so wichtig, die Ratifizierung in den verbleibenden Mitgliedsstaaten mit allen Mitteln zu verhindern.
Die aktuellen Ereignisse zeigen einmal mehr die Dringlichkeit eines entschiedenen Widerstands gegen CETA: Erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission Verhandlungsergebnisse präsentiert, wonach Konzernklagerechte in CETA ausgeweitet werden sollen – ohne Zustimmung der Parlamente der Mitgliedstaaten und unter dem Radar der Öffentlichkeit. Möglich ist diese Vertragsänderung, weil CETA ein sogenanntes lebendes Abkommen ist. Das bedeutet, dass Inhalte und Vereinbarungen des Abkommens im Nachhinein geändert werden können. Das ist ein echtes demokratisches Defizit. Die Parlamente müssen dem nicht mehr zustimmen und haben auch keine Möglichkeit, zu verhindern, dass sich etwas zum Schlechteren verändert.
Konzernklagen sind ein großes Hindernis für Klimaschutzmaßnahmen. Eine Ratifizierung des Investitionsteils von CETA würde zu noch mehr Klagen führen.
Die europäische Handelspolitik sollte eine Kehrtwende hin zu mehr Nachhaltigkeit vollziehen.
Die Europäische Union beteuert öffentlich, ihren Teil zur Erreichung der Pariser Klimaziele beitragen zu wollen. In der Handels- und Investitionspolitik verhält sie sich jedoch genau gegenteilig.
Die aktuelle europäische Handelspolitik führt zu einer Maximierung des Freihandels. Das muss sich ändern. Handelspolitik und Handelsabkommen müssen den Klimazielen untergeordnet werden.
Konzernklagerechte haben in nachhaltigen Handelsabkommen nichts zu suchen. Unternehmen dürfen keine zusätzlichen Sonderklagerechte erhalten, um damit Staaten unter Druck zu setzen, wenn diese eine fortschrittliche Klimapolitik betreiben wollen.
Text stammt in weiten Teilen von Alessa Hartmann, Referentin für Handels- und Investitionspolitik bei Power Shift e.V.. Hier finden Sie die Fallstudie: CETA – Bewertung der Klimaauswirkungen von Handelspolitik und -abkommen.
Entwicklungspolitische Einordnung
Es ließe sich argumentieren, dass die EU mithilfe von Freihandelsverträgen soziale und ökologische Standards setzen könnte, zumindest in wirtschaftlich „schwachen“ Staaten.
- Bisher führte eine Liberalisierung des internationalen Handels jedoch nicht zu diesen Effekten, vielmehr kam und kommt es zu sozialen Verwerfungen und Umweltzerstörung. Solange Handelsabkommen nicht in eine sozial-ökologische Transformation unserer Lebens- und Wirtschaftsweise eingebettet sind, scheint es vermessen, zu erwarten, andernorts gelängen progressive Schritte.
- „Wandel durch Handel“ ist als Maxime, das zeigt das Beispiel Russlands deutlich, als gescheitert zu betrachten. Selbst NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ließ sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit den Worten „Freiheit ist wichtiger als Freihandel“ zitieren, auch wenn sich diese Aussage nur auf den freien Handel mit autoritären Regimen bezog.
Aktuell gibt es auf des Ukraine-Kriegs eine gesteigerte Nachfrage nach Rohstoffen aus anderen Weltregionen. Aus Regionen, in denen der Schutz von Menschenrechten, der Umwelt und des Klimas nach wie vor nicht gewährleistet ist, etwa wenn Sonnenblumenöl aus der Ukraine mit Palmöl aus Indonesien substituiert wird. Deshalb wird beispielsweise auch die kritische Begleitung des EU-Lieferkettengesetzes weiter notwendig sein.
Die kommerziellen Interessen werden mittels Freihandelsabkommen über Nachhaltigkeitsziele sowie demokratische Gremien gestellt. Denn auch wenn SDG 17 prinzipiell ein Bekenntnis zu offenem Handel vorsieht, so ist das nur sinnvoll, wenn andere Ziele nicht konterkariert werden.
Für weitere Informationen und Fragen steht ihnen unser Eine Welt-Fachpromotor für Wirtschaft & Entwicklung zur Verfügung.