Der Prozess zur Schaffung eines Europäischen Lieferkettengesetzes ist am 1. Juni 2023 einen wichtigen Schritt vorangekommen, denn das Europäische Parlament hat mit stabiler Mehrheit seine Position zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in Geschäften europäischer Unternehmen beschlossen. Damit ist der Weg frei für den so genannten Trilog, dem zusammengesetzten Dreiertreffen der gesetzgebenden Institutionen der Europäischen Union (Europäische Kommission, Europäischer Ministerrat und Europäisches Parlament). Hierbei wird die Richtlinie final ausgestaltet.
Was ist bisher passiert? Nach dem Vorstoß von EU-Justizkommissar Didier Reynders bekannte sich das EU-Parlament Mitte 2021 mit breiter Rückendeckung zur Schaffung eines strikten Lieferkettengesetzes (05/2021). Daraufhin legte die EU-Kommission im Februar 2022 einen (aus zivilgesellschaftlicher Sicht abgeschwächten) Entwurf vor, der im Dezember letzten Jahres vom EU-Ministerrat beschlossen wurde.
Der nun erfolgte EU-Parlamentsbeschluss beruht auf Empfehlungen des federführenden Rechtsausschusses. Dieser formulierte (gerade im Vergleich zum in diesem Jahr in Kraft getretenen deutschen Lieferkettengesetz) striktere Vorgaben. So beruht das Gesetz auf einem risikobasierten Ansatz, würde also präventiv wirken. Die unternehmerische Sorgfaltspflicht soll sich nicht nur auf die sogenannten „etablierten Geschäftsbeziehungen“ beschränken, sondern grundsätzlich die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstoffabbau bis zur Entsorgung abdecken. Auch die weithin geforderte zivilrechtlichen Haftung sowie explizite klimabezogene Sorgfaltspflichten sind enthalten. Dennoch werden von zivilgesellschaftlicher Seite, etwa dem breiten Bündnis „Initiative Lieferkettengesetz“ einige Passagen als problematisch kritisiert, insbesondere die Beweispflicht von Betroffenen, die Verletzungen geltend machen wollen, sowie auch die laschen Regelungen für Unternehmen aus dem Finanzsektor.
Am 14.06. um 18:00 findet zur weiteren Einordnung ein Webseminar unter dem Titel „Der Parlamentsbeschluss zum EU-Lieferkettengesetz“ statt, organisiert von FIAN Deutschland, Forum Fairer Handel, Werkstatt Ökonomie und SÜDWIND. Um Anmeldung wird gebeten.
Übrigens, Ende April wurde eine erste Beschwerde nach dem deutschen Lieferkettengesetz beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht. Die von den Organisationen European Center for Constitutional and Human Rights (EECHR), National Garment Workers Federation (NGWF) in Bangladesch sowie FEMNET vorgelegten Recherchen zeigen Sicherheitsmängel und andere Arbeitsrechtsverletzungen in Fabriken, die für Konzerne wie Amazon und IKEA tätig sind. Die Organisationen sehen darin Geschäftspraktiken, die die gesetzlich verankerten Sorgfaltspflichten verletzen würden.
Weitere Informationen:
Initiative Lieferkettengesetz
Erster Beschwerdefall nach deutschem Lieferkettengesetz eingereicht
oder wenden Sie sich an unseren Fachpromoter für Wirtschaft & Entwicklung, Christopher Isensee.