Unter diesem Titel fand in der vergangenen Woche an der Hochschule Merseburg im Rahmen der dortigen Ringvorlesung zum Thema Kreislaufwirtschaft ein spannender Vortrag statt.
Die Kreislaufwirtschaft, auch Circular Economy, könnte einer der wichtigsten Hebel im Rahmen unserer Transformation hin zu einer zukunftsfähigen, dekarbonisierten Wirtschaft und Gesellschaft sein. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, muss sich jedoch auch das Denken transformieren. Daher lohnt es sich, einen Blick über den Tellerrand zu werfen, denn auch aus dem globalen Süden stammen Konzepte, die zur Bewältigung unserer vielfältigen gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen könnten.
Exemplarisch wurde das aus der Andenregion stammende „Buen Vivir“ betrachtet, das gute Leben, wie das Begriffspaar nur unzureichend zu übersetzen ist. Beim in der Kichwa-Sprache „sumak kawasy“ genannten Konzept handelt es sich um eine historisch gewachsene Kosmovision und Lebenspraxis, die auf einer Form des Lebens in Harmonie mit sich selbst, mit der Gesellschaft und der Natur basiert.
Ganz zentral sind hierbei holistische Betrachtungen und die Berücksichtigung (ökologischer) Kreisläufe. Insofern wurde die These diskutiert, inwieweit das von derartigen Kreisläufen inspirierte Konzept der Kreislaufwirtschaft anschlussfähig an die Denkweise der indigenen Gruppen in Lateinamerika (und auch aus andere Teilen der Welt) ist. Grundlegend hierfür ist die Annahme, dass systemische Probleme auch systemische Lösungen benötigen, das Interdependenzen berücksichtigt werden müssen.
Die 90-minütige Vorlesung widmete sich der Frage, inwieweit „buen vivir“ mit unserem vorherrschenden Wohlstandsparadigma in Einklang zu bringen ist, inwieweit Wirtschaftswachstum als gesellschaftliches Ziel also haltbar ist. Verändert sich der Blickwinkel hin zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise mit der Umwelt, dann erscheint ein Streben nach Gleichgewicht sinnvoller. Das stellt auch die Begriffe Entwicklung oder Fortschritt in Frage.
Damit einhergehende Debatten etwa um Naturrechte wurden dem interessierten Publikum im Gartenhaus der Merseburger Hochschule sowie den online zugeschalteten Zuhörern vorgestellt, auch mit Blick auf die spezielle, nach wie vor von kolonialen Strukturen geprägte Situation der Länder in Südamerika, denn in zwei Staaten, in Ecuador sowie in Bolivien, wurde „buen vivir“ im Rahmen neuer Konstitutionalisierungsprozesse Teil der jeweiligen Verfassung.
Den gesamten Vortrag von Christopher Isensee, der auch als Fachpromoter für Wirtschaft & Entwicklung beim ENSA tätig ist, gibt es hier zum Nachsehen.