Seit etwas mehr als einem Jahr gilt es – das deutsche Lieferkettengesetz, richtigerweise: Das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG). Der umständliche Titel umschreibt es präziser als die bekannte Kurzform. Unternehmen in Deutschland sollen in die Pflicht genommen werden, ihre Lieferketten nach Menschenrechtsverletzungen zu durchleuchten. Sie sollen nicht mehr etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren.
Ein Jahr Lieferkettengesetz – Was hat sich getan?

Am 20.12. zog das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das ist die Behörde, die für die Umsetzung des Gesetzes zuständig ist, vorläufig Bilanz. Demnach seien 486 Kontrollen bei Unternehmen durchgeführt worden, davon 78 anlassbezogen. 38 Beschwerden seien eingegangen, wobei in sechs Fällen eine Kontaktaufnahme seitens des BAFA mit dem betreffenden Unternehmen stattfand. Sanktionen, beispielsweise die Verhängung von Bußgeldern oder der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen, wurden bisher nicht ausgesprochen. Das BAFA kommt zu einem positiven Fazit: „Das Gesetz trägt zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes in den globalen Lieferketten bei und fordert Unternehmen, ohne sie zu überfordern.“ (BAFA 2023)
Hintergrund dieses optimistisch klingenden Fazits dürfte der Ansatz sein, den die Behörde verfolgt. Denn zuvorderst soll es darum gehen, einen Lernprozess anzustoßen. Firmen sollen sich überhaupt erst einmal bewusst werden, welche Auswirkungen ihr unternehmerisches Handeln entlang der weitverzweigten Lieferkette hat. Teilweise begründet sich dieser eher defensive Ansatz bereits auf der Architektur des Gesetzes, die etwa konkretes Handeln im Falle indirekter Zulieferer erst dann notwendig macht, wenn Hinweise auf Missstände bekannt werden. Eine direkte Schadenersatzklage seitens Betroffener ist ohnehin nicht vorgesehen. Ferner ließe sich spekulieren, ob die in Borna bei Leipzig eingerichtete Außenstelle des BAFA überhaupt mit der gebotenen Intensität über die Durchsetzung der Regularien wachen kann, denn Personalmangel und eine höchstministerielle Priorisierung zugunsten anderer Aufgaben lassen vermuten, dass die Behörde nur einen Bruchteil ihrer Kapazität dem Lieferkettengesetz widmet oder widmen kann. Zugebenermaßen sind die nach der Norm zu erstellenden Unternehmensberichte allerdings auch erstmals im Jahr 2024 zu prüfen, was eine der zentralen Aufgaben sein dürfte.
Eine aktuelle Studie, die dem RBB exklusiv vorliegt, hat derweil ergeben, dass 70% der befragten Unternehmen erhebliche Probleme hätten, Menschenrechtsverstöße bei ihren unmittelbaren Zulieferern zu beseitigen, ein Viertel der 244 befragten Unternehmen hätte noch gar kein Risikomanagement implementiert.
Seit dem 01.01. diesen Jahres sind nun auch Unternehmen mit mindestens 1000 Angestellten direkt betroffen (zuvor beschränkte sich das Gesetz auf Firmen ab 3000 Angestellten). Auch kleine und mittelständische Unternehmen werden nun zunehmend in die Pflicht genommen, denn wenn sie mit großen Unternehmen Geschäfte machen, reichen diese die Standards oftmals weiter (wenngleich eine direkte vertragliche Zusicherung diesbezüglich unzulässig ist).
Überdies wurde sich Mitte Dezember im sogenannten Trilog aus EU-Kommission, Europäischem Parlament und EU-Rat auch auf ein Europäische Lieferkettengesetz geeinigt. Dieses wird mehr Unternehmen einschließen, auch zivilrechtliche Klagemöglichkeiten sollen eingeräumt werden. Im Bereich Umwelt- und Klima sind höhere Anforderungen vorgesehen. Es ist insofern deutlich weitgehender als das LkSG, auch wenn beispielsweise der Finanzmarkt nicht adressiert wird, wie viele zivilgesellschaftliche Initiativen gefordert hatten.
Um den Anforderungen des deutschen Lieferkettengesetzes gerecht zu werden, hat das BAFA diverse Handreichungen veröffentlicht. Fragen und Antworten sowie Best Practice-Beispiele sind hier zu finden. Ferner bietet der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der Bundesregierung Abhilfe. Auch Branchendialoge werden als hilfreich angesehen. Es ist jetzt an der Zeit, sich sukzessive der eigenen Lieferkette zu widmen. Herauszufinden, wie die Situation in den Zulieferer-Ländern ist, wo besondere Risiken liegen könnten. Gerne unterstützt Ihr Fachpromoter für Wirtschaft & Entwicklung, Christopher Isensee, betroffene und interessierte Unternehmen dabei.
Quellen und weiterführende Informationen:
https://detektor.fm/wirtschaft/zurueck-zum-thema-lieferkettengesetz-3

- Christopher Isensee
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Über mich
In meiner Arbeit als Eine Welt-Fachpromotor für Wirtschaft und Entwicklung vernetze ich Akteure des nachhaltigen Wirtschaftens in SachsenAnhalt. Ich biete Beratung und Bildung im Bereich sozial-ökonomischer Transformation und identifiziere Best-Practice-Beispiele nachhaltigen Wirtschaftens.