Bericht zum ZIVIZ-Survey 2023: Zivilgesellschaftliche Organisationen im Wandel

 

Die gesellschaftliche Transformation, geprägt durch Themen wie Klimawandel, ökonomische Ungleichheit, soziale Gerechtigkeit, Digitalisierung und Migration, stellt den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die Probe. Die Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung dieses Wandels im Sinne des Gemeinwohls und demokratischen Miteinanders.

Letzte Woche erschien der ZiviZ-Survey 2023, vom „Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V.“ herausgegeben und den Autoren:innen Dr. Peter Schubert, David Kuhn und Dr. Birthe Tahmaz verfasst. Der ZiviZ-Survey ist die einzige repräsentative Befragung in Deutschland, der das gesamte Spektrum formal organisierter zivilgesellschaftlicher Organisationen in den Blick nimmt. Er erfasst in regelmäßigen Abständen die wesentlichen Strukturmerkmale von Vereinen, Stiftungen, gemeinnützigen Kapitalgesellschaften und gemeinwohlorientierten Genossenschaften, in denen sich ein Großteil des zivilgesellschaftlichen Engagements organisiert. Zum dritten Mal durchgeführt, liefert er wertvolle Einblicke in die vielfältige Zivilgesellschaft, quantifiziert ihr Engagement und zeigt langfristige Trends.

Dabei fällt positiv auf, dass eine Vielzahl an Organisationen existierten die sich zunehmend als Impulsgeber für sozialen Wandel verstehen. Der ZiviZ-Survey gibt dementsprechend wertvolle Hinweise für die Entwicklung von Angeboten, die zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit bestärken. Dennoch zeigen die Ergebnisse auch, dass die gesellschaftliche Transformation nicht überall reibungslos verläuft und oft durch interne Konflikte und Probleme in den Organisationen erschwert wird.

Zusammenfassung der Ergebnisse:

  • Mehr als 650.000 zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland: Im Jahr 2022 existierten in Deutschland über 650.000 zivilgesellschaftliche Organisationen, wobei eingetragene Vereine den Großteil ausmachten. Trotz nachlassender Dynamik bei Vereinsgründungen verzeichneten gemeinnützige Kapitalgesellschaften und Genossenschaften einen Anstieg. Regional gab es Unterschiede, mit dem stärksten Vereinswachstum in Berlin und Bayern. Ein Ost-West-Gefälle zeigt die Betrachtung der Vereinsdichten nicht. Sachsen-Anhalt weist mit 19.254 Vereinen im Jahr 2022 eine überdurchschnittlich hohe Vereinsdichte auf (8,8 Vereine pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner). Allerdings variiert die Vereinsdichte innerhalb der Bundesländer teils erheblich.
  • Die meisten Organisationen müssen mit sehr knappen Ressourcen haushalten: Finanziell kämpfen viele Organisationen, mehr als die Hälfte hat Einnahmen unter 10.000 Euro, und nur 27 Prozent haben bezahlte Mitarbeiter. Die Pandemie verschärfte finanzielle Probleme, besonders im kulturbasierten Sektor.
  • Breite Themenvielfalt in den Betätigungsfeldern zivilgesellschaftlicher Organisationen: Zivilgesellschaftliche Organisationen sind in verschiedenen Bereichen tätig, wobei Sport, Kultur und Bildung besonders herausragen. In urbanen Gebieten liegt der Schwerpunkt verstärkt auf Bildung, Wissenschaft und sozialen Themen, während ländliche Regionen stärker von traditionellen Bereichen wie Sport, Kultur und Freizeit geprägt sind. Im Bereich der Internationalen Solidarität sind 7 Prozent aller zivilgesellschaftlichen Organisationen aktiv, wobei 2 Prozent dies als ihr Hauptbetätigungsfeld definieren. Neue Bildungs- und Umweltorganisationen tragen zur Vielfalt der Themen in der Zivilgesellschaft bei.
  • Wandel im Rollenverständnis und in der Beziehung zum Staat: Das Rollenverständnis der Organisationen verändert sich, da sie vermehrt Impulse für sozialen Wandel geben und politisch partizipieren wollen. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an staatliche finanzielle Unterstützung. Den Hintergrund dafür bildet die klar erkennbare Tendenz, dass Organisationen immer häufiger als Lückenbüßer für mangelnde staatliche Daseinsvorsorge auftreten und sich in Bereichen engagieren, die traditionell im Verantwortungsbereich des Staates lagen. Trotz dieser Entwicklung gibt es weiterhin viele Organisationen, die Aktivitäten und Angebote gänzlich unabhängig von staatlicher Finanzierung anbieten möchten.
  • Entwicklung der Engagiertenzahlen offenbart die Gewinnenden und Verlierenden der Pandemie: Die Pandemie beeinflusste Mitglieder- und Engagierten-Zahlen unterschiedlich, mit einem Rückgang in Sportvereinen, aber Zuwächsen in Umwelt- und Bevölkerungsschutzorganisationen.
  • Organisationen plagen Probleme in der Besetzung von Leitungsfunktionen – nicht zuletzt aufgrund bürokratischer Belastungen im Ehrenamt: Neben der grundsätzlich abnehmenden Bindungsbereitschaft von Engagierten hat dies auch mit dem hohen bürokratischen Aufwand zu tun, mit dem die Arbeit in ehrenamtlichen Führungspositionen verbunden ist. Knapp drei Viertel der Organisationen bewertet die Verwaltungstätigkeiten für ihr zentrales Leitungsgremium als besonders zeitintensiv.
  • Zunehmende Entkoppelung des Engagements von der Institution einer formalen Mitgliedschaft: Allgemein ist eine zunehmende Entkoppelung von Engagement und formaler Mitgliedschaft erkennbar, was flexiblere Konzepte erfordert. Es sollten niederschwellige Konzepte entwickelt und alternative Finanzierungsquellen erschlossen werden, um mögliche Einnahmeverluste durch fehlende Mitgliedsbeiträge auszugleichen.
  • Zivilgesellschaftliche Organisationen bilden zunehmende gesellschaftliche Vielfalt intern noch zu selten ab: Die zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland spiegeln die gesellschaftliche Vielfalt noch unzureichend intern wider. Knapp die Hälfte der Organisationen hat keine jungen Engagierten unter 30 Jahren in Leitungspositionen. Nur 11 Prozent haben Engagierte mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, und lediglich 21 Prozent berichten von sozialer Diversität unter den Engagierten. Die Förderung von Diversität wird als entscheidend betont, nicht nur für effektive Beiträge zur Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch zur Bewältigung interner Nachfolgeprobleme durch eine breitere Öffnung für neue Bevölkerungsgruppen.
  • Verhaltenes Stimmungsbild zu den Folgen und Mehrwerten der Digitalisierung: Die Digitalisierung hat Fortschritte in vielen Organisationen ermöglicht, jedoch erlebt nur ein Teil von ihnen substanzielle Mehrwerte. Weniger als jede zehnte Organisation gewinnt durch digitale Arbeit junge Engagierte, und nur wenige erreichen Menschen, die nicht vor Ort sind. Bedenklich ist, dass etwa jede fünfte Organisation von einem abnehmenden Gemeinschaftsgefühl durch digitales Arbeiten berichtet. Trotzdem hat jede fünfte Organisation durch die Digitalisierung mehr Teilnehmende an Angeboten und Aktivitäten.
  • Ein positiver Trend zeigt sich in der Zusammenarbeit mit engagementfördernden Infrastruktureinrichtungen: Jede vierte Organisation kooperiert inzwischen mit mindestens einer solchen Einrichtung, wie kommunalen Kontaktstellen für bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenagenturen oder Bürgerstiftungen. Diese Einrichtungen spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung des Engagements und sollten auf eine solide Finanzierungsgrundlage gestellt werden, um das lokale Engagement nachhaltig zu stärken.

Zusammenfassend verdeutlicht der ZiviZ-Survey die Vielfältigkeit der zivilgesellschaftlichen Landschaft in Deutschland. Er zeigt Herausforderungen wie finanzielle Engpässe und Mitgliedergewinnung ebenso wie positive Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und im politischen Engagement. Die Ergebnisse bieten wichtige Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung von Angeboten, um zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterstützen und ihre Rolle als Akteure des gesellschaftlichen Wandels zu stärken.

Den Haupbericht zum ZiviZ-Survey 2023 finden Sie HIER. Des Weiteren gibt es auch einen kürzeren Trendbericht den sie HIER finden oder zusammengefasste Informationen auf der Website. Wenden Sie sich bei Nachfragen und Interesse für dieses Thema gerne an uns oder den Projektleiter Dr. Peter Schubert (peter.schubert@stifterverband.de).

 

Dorothea Splettstößer
Projektkoordination SAeBIT
E-Mail: bildungstage@einewelt-lsa.de
Mobil: +49 159 06820115
Über michIch bin die Projektkoordinatorin im Bereich Bildungsarbeit für die SAeBIT. Meine Aufgabe ist es, Themen und Methoden des Globalen Lernens in Form von Workshops verstärkt in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit sowie auf landespolitischer Ebene zu verankern.