Diskussion über EU-Asylrechtsreform und Energiekooperationen

Verschiedene Themen wurden bei der AG Politik besprochen. Screenshot: Christopher Isensee

Am 27.06.2023 fand die AG Politik des ENSA zusammen, um zwei komplexe, entwicklungspolitisch relevante Themen zu erörtern und die weitere Arbeit im Netzwerk dazu abzustimmen. Es ging einerseits nochmals um sogenannte Energiekooperationen mit dem globalen Süden, ferner war die geplante EU-Asylrechtsreform Thema.

Bezüglich der Frage, wie faire Partnerschaften zwischen Deutschland und Ländern des afrikanischen Kontinents im Energiesektor organisiert werden können, legte Christopher Isensee, Fachpromoter für Wirtschaft & Entwicklung, einen Entwurf für ein Positionspapier vor. Ausgangslage ist die Energieknappheit respektive Energiewende, hinzu kommt ein Rückgriff auf den schon älteren „Strom aus der Wüste“-Ansatz (Desertec-Initiative). Es stellt sich die Frage nach gerechtem Wandel in Bezug auf globale Nord-Süd-Beziehungen. Beispielshalber lässt sich das beim Projekt zur Beziehung von grünem Wasserstoff, übrigens auch für Sachsen-Anhalt gewissermaßen ein „buzzword“, aus Namibia betrachten. Welche lokalen Voraussetzungen liegen vor, welche Erwartungen (im positiven Sinne etwa: Die Schaffung von Jobs, der Ausbau von Infrastruktur oder die Ansiedlung von Folgeindustrie) gibt es? Wie ist die Situation mit Blick auf die lokale Stromerzeugung und den Export einzuordnen? Befürchtungen bzgl. Neokolonialismus (Verdrängung lokaler Gemeinden, Landnahme, Extraktivismus) spielen hier eine Rolle. Es steht die Befürchtung im Raum, der globale Norden wolle einmal mehr seine Probleme in den Süden externalisieren. Ziel der AG Politik ist es, ein ENSA-Positionspapier zu entwickeln, das als fundierter Diskursbeitrag angesehen werden kann. Insofern wird eine vertiefte Recherche zu Standort-Spezifika durchgeführt, auch erfolgt eine Akzentuierung auf die Kolonialgeschichte (Stichwort: historische Schuld). Dabei sollen die Stimmen des globalen Südens miteinbezogen werden. Insbesondere hierfür ist die AG Politik über die Vermittlung von Kontakten dankbar.

Mit der Frage, ob die geplante EU-Asylrechtsreform ein „historischer Durchbruch“ (Nancy Faeser) oder ein „historischer Fehler“ (Pro Asyl) ist, leitete Niels Kropp, Fachpromoter für Migration & Entwicklung, den zweiten Tagesordnungspunkt ein. Bereits seit 1999 gibt es den Versuch einer gemeinsamen, europäischen Asylpolitik, wobei seit 2014 zunehmend große Uneinigkeit herrscht. Neben osteuropäischen „Hardlinern“ wenden sich auch zunehmend vermeintlich liberale Staaten Nord- und Westeuropas, etwa die Niederlande oder Schweden, einer restriktiveren Politik zu – mit fatalen Auswirkungen: Gewalt, Lager, Push-Backs, uneinheitliche Anerkennungsquoten (bspw. werden Asylanträge aus Afghanistan in Italien zu 95% stattgegeben, in Bulgarien nur 5%) und Lebensbedingungen. Auch jetzt gab es keine einstimmte Entscheidung des Rates der EU, doch es ist das Ziel, noch vor der nächsten Europawal 2024 einen Gesetzestext vorzulegen. Die jetzigen Beschlüsse sehen Grenz- und Schnellverfahren (das bedeutet die Inhaftierung Asylsuchender an Außengrenzen, verbunden mit der Beschleunigung wenig Zugang zu Rechtsbeistand oder Übersetzung), eine Ausweitung der Definition „sicherer Drittstaaten“ und einen so genannten „Solidaritätsmechanismus“ (die freiwillige Übernahme von Asylsuchenden oder „capacity building and other support“ oder Ausgleichszahlungen) vor. Nicht berücksichtigt wurden Fluchtursachen, die europäische Verantwortung für Flucht, auch eine (grundlegende) Reform des Dublin-Systems ist nicht vorgesehen. Zur Folge würde die Reform eine erhebliche Verschlechterung der Schutzstandards haben. Es gäbe noch weniger faire Verfahren und tendenziell noch längere, teurere sowie gefährlichere Fluchtrouten. Bezüglich diverser praktischer Fragen herrscht Unklarheit. Letztlich handelt es sich um einen vermeintlichen Kompromiss auf dem Rücken der Migrant:innen sowie der Mittelmeeranrainer-Staaten. Die AG Politik diskutierte das weitere Vorgehen, hierzu folgen in Kürze weitere Informationen.

Die nächste Sitzung findet im Herbst statt. Der genaue Termin wird in der kommenden Woche bekanntgegeben.

Christopher Isensee
Eine Welt-Fachpromotor „Global verantwortliches Wirtschaften & nachhaltige Beschaffung“
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Über michIn meiner Arbeit als Eine Welt-Fachpromotor für Wirtschaft und Entwicklung vernetze ich Akteure des nachhaltigen Wirtschaftens in SachsenAnhalt. Ich biete Beratung und Bildung im Bereich sozial-ökonomischer Transformation und identifiziere Best-Practice-Beispiele nachhaltigen Wirtschaftens.