Modernisierung Vergaberecht: ENSA beteiligt sich an Konsultation

Bereits seit der Vergaberechtsreform 2016 ist die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien in öffentlichen Ausschreibungen und Vergaben rechtssicher möglich. Leider werden die sich daraus ergebenden Potentiale für den Schutz von Umwelt und Klima, aber auch von Arbeits- und Menschenrechten entlang der globalen Wertschöpfungsketten noch immer viel zu selten von Beschaffungsstellen genutzt. Momentan plant die Bundesregierung daher, das Vergaberecht weiter zu modernisieren.

 

„Wir wollen die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen. Die Bundesregierung wird die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten und die Verbindlichkeit stärken, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen“

– „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag der Deutschen Bundesregierung 2021-2025, Seite 27

 

In diesem Zusammenhang fand von Dezember 2022 bis Februar 2023 ein öffentlicher Konsultationsprozess statt, an dem sich auch das EINE WELT Netzwerk Sachsen-Anhalt e.V. beteiligte. Die Befragung der Stakeholder fand dabei anhand von fünf Aktionsfeldern statt:

Aktionsfeld 1: Stärkung der umwelt- und klimafreundlichen Beschaffung

Das ENSA spricht sich hier u.a. dafür aus, dass „Kosten“ im Zuge von Beschaffungsvorgängen zukünftig verpflichtend auf Grundlage der Lebenszykluskosten berechnet werden sollten (anstatt ausschließlich den Anschaffungspreis zu betrachten). Darüber hinaus betont das ENSA die Notwendigkeit, Beschaffer:innen (ebenso wie Entscheidungs- und Bedarfsträger:innen) adäquat zu qualifizieren sowie sie bei der Erarbeitung und Umsetzung einer nachhaltigen und verantwortlichen Beschaffungsstrategie zu unterstützen. In diesem Zusammenhang spricht sich das ENSA ferner für konkrete Stufenpläne auf Bundes- und Landesebene aus, da sie nicht nur eine langfristige Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit dem Thema veranlassen, sondern den öffentlichen Auftraggeber:innen auch ein gemeinsames Ziel vorgeben, für dessen Erreichung sie fortan zusammenarbeiten könnten.

Aktionsfeld 2: Stärkung der sozial-nachhaltigen Beschaffung

Das ENSA betont hier zunächst, dass sozial-nachhaltige Beschaffung eine innen- wie auch eine außenpolitische Dimension hat: So geht es hierbei sowohl um Tariftreue und die Förderung besonders vulnerabler Gruppen im Inland als auch um nachweisliche Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten entlang der gesamten Wertschöpfungskette der zu beschaffenden Güter, also zumindest (!) um die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen. Das ENSA plädiert daher u.a. für eine stärkere Differenzierung des Merkmals „sozial“ (ebenso wie des Merkmals „ökologisch“) im Rahmen der Vergabestatistik, um die Nachhaltigkeit des öffentlichen Vergabewesens zielführend weiterentwickeln zu können. Das ENSA unterstreicht ferner, dass die verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen und -anforderungen nicht gegeneinander austauschbar sein sollten; vielmehr sollten ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte den gleichen Stellenwert haben. Schließlich verweist das ENSA auf die Potentiale, die in einer strategischeren Ausgestaltung des Vertrags- und Lieferant:innenmanagements liegen, denn hierdurch ließe sich prozessorientiert an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen entlang ganzer Wertschöpfungsketten konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Aktionsfeld 3: Digitalisierung des Beschaffungswesens

Das ENSA moniert hier v.a. die fehlenden Möglichkeiten zur statistischen Auswertung öffentlicher Beschaffungsvorgänge in Deutschland. Ohne entsprechende Datenbasis lässt sich eine Entwicklung hinzu nachhaltiger öffentlicher Beschaffung jedoch nur schwer zielgerichtet steuern.

Aktionsfeld 4: Vereinfachung und Beschleunigung des Vergabeverfahrens

Das ENSA betont hier u.a., dass eine erfolgreiche Umstellung bestehender Ausschreibungs- und Vergabepraktiken hinzu einer nachhaltigen Beschaffung qualifizierten Personals sowie prägnanter Informationsmaterialien, Ansprechpartner:innen wie auch Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten bedarf. Darüber hinaus spricht es sich für eine zunehmende Vereinheitlichung des Vergaberechts aus, um den Austausch zwischen Beschaffungsstellen zu erleichtern sowie um es (v.a. kleinen und mittelständigen) Unternehmen zu ermöglichen, sich ohne übermäßigen Aufwand an Ausschreibungen in verschiedenen Bundesländern zu beteiligen.

Aktionsfeld 5: Förderung von Mittelstand, Start-Ups und Innovationen

Das ENSA verweist hier wiederum auf die Notwendigkeit prägnanter Informationsmaterialien und qualifizierter Ansprechpartner:innen, die bietende Unternehmen dabei unterstützen, die neuen Nachhaltigkeitsanforderungen zu verstehen und umsetzen zu können.

Abschließend sollten die Aktionsfelder priorisiert und eventuelle Zielkonflikte zwischen diesen diskutiert werden. Als entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation plädiert das ENSA hierbei für eine Priorisierung der ersten beiden Aktionsfelder. Denn, wenngleich das öffentliche Beschaffungswesen primär den Grundsätzen der Wirtschaftlich- bzw. Verhältnismäßigkeit und des Wettbewerbs unterworfen ist, lassen sich damit zugleich gesellschaftsrelevante Ziele, wie der Schutz von Umwelt und Klima wie auch von Arbeits- und Menschenrechten, verfolgen. Es ist wichtig, diese strategische Chance anzuerkennen und zu nutzen. Durch eine stärkere Betonung von ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien könnte und sollte das öffentliche Vergabewesen die Entwicklung und Etablierung entsprechender Produkte und Produktionsweisen unterstützen, was zugleich die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken würde.

Die vollumfängliche Beantwortung der im Rahmen des Konsultationsprozesses aufgeworfenen Fragen durch das ENSA finden Sie in den Downloads unten.

Projekt FAIRantwortungsvolle Beschaffung in Sachsen-Anhalt
Projekt ist beendet
E-Mail: geschaeftsstelle@einewelt-lsa.de
Über michDas Projekt „FAIRantwortungsvolle Beschaffung in Sachsen-Anhalt“ ist zum 31.12.2023 ausgelaufen und wird nicht fortgeführt. Bei Fragen zum Thema wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle.