Neues Vergabegesetz: Spürbare Rückschritte in Sachen nachhaltige Beschaffung

Die öffentliche Hand könnte zu einem entscheidenden Motor für die Entwicklung nachhaltiger Produkte werden. Foto: pixabay

Dass nachhaltige Beschaffung weiterhin ein Nischenthema in der öffentlichen Verwaltung Sachsen-Anhalts darstellt, zeigte sich einmal mehr zu Beginn des Novembers, als die geplante Informationsveranstaltung zum Thema „Nachhaltige öffentliche Beschaffung“ in Sangerhausen aufgrund zu geringer TeilnehmerInnenzahlen wieder abgesagt werden musste.

Auch das vom Landtag am 18.11.2022 beschlossene Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Landes Sachsen-Anhalt (Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt – TVergG LSA), macht im Hinblick auf Nachhaltigkeit nun doch wieder einige Schritte zurück. Beim ersten Entwurf des Gesetzes aus dem Mai schien es , als ob es primär um die Einführung der Tariftreue sowie des Best-Bieter-Prinzips ginge. Nunmehr sind jedoch spürbare Rückschritte festzustellen, obwohl sich auch das ENSA im Rahmen der Anhörung im Ausschusses für Wirtschaft und Tourismus klar dafür aussprach, der Verantwortung der öffentlichen Hand in sozialen und ökologischen Fragen Rechnung zu tragen. So ist § 4 TVergG LSA  jetzt als Kann-Bestimmung formuliert, was die Beachtung ökologischer, sozialer und innovativer Kriterien wieder komplett in das Reich der Freiwilligkeit drängt. Das ist nicht nur schade, sondern vielmehr eine vertane Chance, um den so oder so stattfindenden öffentlichen Konsum sozusagen nebenbei für die Erreichung gesellschaftlich relevanter Ziele zu nutzen.

Schließlich ist die öffentliche Hand der größte Konsument von Gütern und Dienstleistungen in Deutschland, was bedeutet, dass öffentliche Auftraggeber zu einem entscheidenden Motor für die Entwicklung nachhaltiger Produkte und zukunftsfähiger Wirtschaftsstrukturen werden könnten, wenn sie bewusst besonders energieeffiziente, ressourcen- und gesundheitsschonende, ökologisch produzierte und fair gehandelte und/oder innovative Güter und Dienstleistungen nachfragen würden. Ohne eine verpflichtende Beachtung derartiger Aspekte bleibt jedoch zu befürchten, dass das Diktat des billigsten Preises mit all seinen Negativfolgen für Mensch und Natur weiterhin dominant bleibt. Bedauerlicherweise zeigt sich das auch daran, dass § 12 TVergG LSA seine Soll-Bestimmung verloren hat und nun nur noch schwammig „darauf hinwirken [soll], dass…“. Mit besonderer Spannung erwarten wir hierbei jedoch die in Absatz 2 erwähnte Verordnung, die bestimmen soll, bei welchen Produktgruppen bzw. Herstellungsverfahren die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen nachgewiesen werden muss und wie dieser Nachweis zu erfolgen hat. Hiervon wird abhängig sein, inwiefern das neue Tariftreue- und Vergabegesetz tatsächlich einen positiven Einfluss auf den öffentlichen Konsum in unserem Bundesland haben wird.

Sollten Sie Interesse daran haben, bereits in der Zwischenzeit aktiv an der Förderung nachhaltiger Beschaffungsprozesse in Sachsen-Anhalt haben, dann kommen Sie doch gern zum nächsten Treffen der ENSA-AG „Nachhaltige Beschaffung“, welches am Mittwoch, 07.12.2022, 10-12 Uhr, via Zoom stattfinden wird. Den Zugangslink erhalten Sie von unserer Kollegin Anke Scholz.

Und auch die eingangs erwähnte Informationsveranstaltung zum Thema ist nicht wirklich abgesagt, sondern vielmehr verschoben. Ein neuer Anlauf ist für das Frühjahr 2023 geplant. Auf dass eine nachhaltigere Ausrichtung des öffentlichen Ausschreibungs- und Vergabewesens nicht länger als zusätzliche Belastung und Bürokratisierung, sondern vielmehr als kluges Instrument zur Erreichung gesellschaftlich relevanter Ziele wahrgenommen wird.