Wenn auf der Welt das Wasser fehlt, ist kein Leben mehr möglich. Aber das nutzbare Süßwasser macht lediglich 0,025 Prozent des Wasservorkommens der Erde aus und in vielen Regionen wird es immer knapper. Auch das Recht auf Nahrung ist eng mit dem auf Wasser verbunden und so ist auch die Ernährung vieler Menschen bedroht. Im Zeitalter des Kapitalismus rücken Menschenrechte aber oft in den Hintergrund und der Wettbewerb um Wasser wird immer größer. Vor allem Menschen, die ohnehin schon in Armut leben, müssen kämpfen, um an Wasser für Landwirtschaft und Haushalt zu gelangen.
Wie gravierend die Auswirkungen des beschriebenen Wettbewerbs sind, deckt der Film Botteld Life aus dem Jahr 2012 auf, welcher das Geschäft mit (dem) Wasser des Konzerns Nestlé zeigt. Letzter ist der größte Lebensmittelkonzern der Welt und verdient mit abgepacktem Wasser jährlich rund 10 Milliarden Franken[1].
Dies ist möglich, weil viele Menschen auf den Kauf von Trinkwasser angewiesen sind, da sie ihr Leitungswasser nicht, wie in Deutschland, einfach trinken können. Oft gibt es kein fließendes Wasser zuhause und beispielsweise in Afrika haben sieben von zehn Haushalten keinen eigenen oder nahegelegenen Wasserzugang[2].
Das Vorgehen des Konzerns und die damit einhergehende Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verstößt gegen die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal – SDG). Das SDG 6 fordert Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen[3]. Wasserknappheit betrifft jedoch mehr als 40 Prozent der Menschen weltweit. Eine alarmierende Zahl, die voraussichtlich mit den Temperaturen steigen wird. Obwohl sich seit 1990 für 2,1 Milliarden Menschen die Wasserversorgung verbessert hat, betrifft die schwindende Trinkwasserversorgung alle Kontinente. Immer mehr Länder leiden unter Wasserstress, und zunehmende Dürre und Wüstenbildung verschlechtern diese Trends bereits. Bis 2050 wird voraussichtlich mindestens jeder vierte Mensch unter wiederkehrendem Wassermangel leiden.
Gleichzeitig steigt der Bedarf an Wasser stetig an. Neben der Landwirtschaft, die durch industrialisierte Monokulturen immer mehr Wasserressourcen in Anspruch nimmt, benötigen die Industrie und die wachsenden Städte immer größere Mengen des raren Guts. Wasservorkommen werden übernutzt, der Grundwasserspiegel fällt und Wasserkreisläufe werden zerstört. Durch das Fehlen von sauberem Trinkwasser, Sanitärversorgung und somit Hygiene wird die Gesundheit von Milliarden Menschen weltweit gefährdet. Die Verunreinigung von Trinkwasser lässt sich nicht vermeiden, wenn Toiletten fehlen und Abwasser nicht entsorgt werden kann. So sterben viele Kinder nicht nur an Unterernährung sondern weil ihnen sauberes Trinkwasser fehlt[4].
Der unzureichende Zugang zu Trinkwasser oder einem nahegelegenen Wasserzugang trägt dazu bei, dass Ungleichheiten reproduziert werden. Dies geschieht in Regionen, in denen die Rechte der Frauen ohnehin schon sehr eingeschränkt sind.
Krankheiten, vor allem auch die der Kinder, resultieren aus verunreinigtem Wasser und sind eine zusätzliche Belastung für Frauen, denen die Pflege meistens obliegt. Darüber hinaus müssen Frauen in Gebieten mit Wasserknappheit und fehlender Infrastruktur täglich vier bis sechs Stunden für die Wasserbeschaffung aufbringen. Laut UNICEF/WHO (2017)[5] sind in sieben von zehn Haushalten Mädchen und Frauen für das Wasser holen verantwortlich, von dem, nach der harten Arbeit, selten etwas für die eigene Hygiene und häusliche Nutzung übrig bleibt. Dabei ist eine sichere Sanitärversorgung und somit die eigene Hygiene eine unabdingbare Voraussetzung für ein Leben in Würde und Gesundheit. Hinzu kommt, dass Frauen oft ihren anderen Arbeiten zum Beispiel in Landwirtschaft oder auf dem Markt nicht nachgehen können. Mädchen werden ebenso zur Wasserbeschaffung eingespannt und können deshalb die Schule oft nicht besuchen.
Diese Rollenverteilungen, auch im Rahmen der Wassernutzung, sind traditionell entstanden und dauern bis heute an. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wird hier ständig reproduziert. Männern steht die Nutzung des Wassers für die Landwirtschaft zu. Trinkwasser- und Sanitärversorgung, Kochen, Putzen und Waschen ist der Bereich der Frauen und Mädchen. Obwohl Frauen beispielsweise in Teilen Asiens und Afrikas viele Nahrungsmittel produzieren und so einen großen Beitrag zur kleinbäuerlichen Subsistenzarbeit leisten, werden sie selten als Landwirtinnen oder produktive Wassernutzerinnen und Ernährerinnen ihrer Familien wahrgenommen. Darüber hinaus gibt es diskriminierende Gesetzte und kulturelle Praktiken, wie Land- und Erbrechte, welche verhindern, dass Frauen auf Land und Wasserressourcen zugreifen können[6].
Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen gleichermaßen durchzusetzen ist ein wichtiges Ziel von verschiedenen Organisationen, wie zum Beispiel Brot für die Welt. So geht es dabei auch um das Sichtbarmachen und den Abbau der Benachteiligung von Mädchen und Frauen beim Thema Wasser. Der Fokus liegt in den Programmen und Projekten auf menschenrechtlichen Prinzipien der Nicht-Diskriminierung, Chancengleichheit, Teilhabe und Empowerment[7]. Hier darf die Gleichberechtigung aber nicht als reine „Frauensache“ verstanden werden. Eine Gleichberechtigung in Bezug auf die Wassernutzung kann nur erreicht werden, wenn Mädchen und Jungen, Frauen und Männer das Anliegen als gemeinsames Ziel begreifen und umsetzten.
Ein Beispiel für ein erfolgreiches Projekt ist das Programm „Eine Millionen Zisternen“, welche im Nordosten Brasiliens von Articulacao Samirarido (ein Netzwerk aus 800 zivilgesellschaftlichen Organisationen) initiiert wurde[8]. Dort wurden bereits eine halbe Millionen Zisternen, also unterirdische Wasserbehälter, gebaut. Drei Millionen Menschen haben nun Trinkwasser, bessere Sanitäranlage und können ihrer täglichen Hygiene nachgehen. Auf diese Weise konnte ihre Gesundheit deutlich verbessert werden. Durch den Bau kommunaler oder privater Wasserstellen und Latrinen sowie Hygieneaufklärung wird eine Verbesserung der Lebensverhältnisse besonders von Mädchen und Frauen erzielt. Denn ein Zugang zu Toiletten ist für sie besonders wichtig, weil sie andere körperliche Bedürfnisse als Männer haben. Gerade durch das Bestehen von Normen und Tabus ist die Privatsphäre beim Gebrauch von Toiletten während der Menstruation besonders wichtig. Diese kann in den Schulen oft nicht sichergestellt werden, daher meiden die Mädchen die Schule im Zeitraum ihrer Periode. Hinzu kommt, dass Frauen auf der Suche nach einem Ort, an dem sie sich unbeobachtet erleichtern können oft Opfer sexueller Gewalt werden.[9]
Obwohl in zahlreichen Regionen dieser Welt noch große Probleme im Bereich der geschlechtsspezifischen Gleichberechtigung bestehen, finden in vielen Ländern Veränderungen statt. Das Erreichte muss aber nachhaltig gestaltet und gesetzlich verankert werden, um eine konsequente Durchsetzung von Menschrechten zu gewährleisten. Das SDG 6, welches eine sichere Wasserversorgung und saubere Sanitäranlagen fordert, geht also Hand in Hand mit einer Gleichberechtigungsdebatte. Auf der anderen Seite lässt sich sagen, dass es möglich ist mit einer gerechten Wasserversorgung und Beachtung der damit einhergehenden Diskurse auch mehr Gleichberechtigung zu schaffen.
Julia Jama
[1] http://www.wasser-wissen.org/der-nestle-wasser-skandal/ [Zugriff: 10.09.2020]
[2] Maike G., Carsta N. (2020): Wasser für alle. Mit einer gerechten Wasserversorgung mehr Gleichberechtigung schaffen. Brot für die Welt (Hrsg.), bvdm, Berlin.
[3] https://sdgs.un.org/goals/goal6
[4] Maike G., Carsta N. (2020): Wasser für alle. Mit einer gerechten Wasserversorgung mehr Gleichberechtigung schaffen. Brot für die Welt (Hrsg.), bvdm, Berlin.
[5] UNICEF/WHO (2017): Progess on Drinking Water, Sanitation and Hygiene: 2017 Update and SDG Baselines.
[6] Maike G., Carsta N. (2020): Wasser für alle. Mit einer gerechten Wasserversorgung mehr Gleichberechtigung schaffen. Brot für die Welt (Hrsg.), bvdm, Berlin.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Ebd.